Bonusszene: Der letzte Kuss
Hinweis: Diese Bonusszene kann Spoiler enthalten! Bitte erst lesen, wenn du Der letzte erste Kuss gelesen hast!
Elle
Knapp zwei Wochen später normalisierten sich die Dinge wieder. Zumindest zog Luke sich nicht mehr vor aller Welt zurück, sondern schien wieder ganz der Alte zu sein. Nach außen hin. Denn jetzt, da er mir von seinen Eltern erzählt hatte, schwebte dieses Geheimnis zwischen uns, aber es belastete unsere Freundschaft nicht. Wenn überhaupt machte es sie stärker und brachte uns näher zusammen.
Letzten Freitag hatte ein kurzer Blickkontakt gereicht, um zu wissen, dass Luke allein sein wollte. Es war eine Woche nach dem Todestag seiner Mom und ich wusste, was an diesem Tag passiert war. Also hatte ich es übernommen, die anderen beim Mittagessen abzulenken, damit sie keine Fragen stellten, als Luke früher ging und sich auch den Rest des Tages über nicht mehr blicken ließ. Ich wusste nicht, ob er wieder in eine Bar gegangen und sich dort hatte volllaufen lassen, aber mitten in der Nacht hatte ich eine Nachricht von ihm bekommen. Und obwohl er mich damit geweckt hatte, konnte ich nicht wütend auf ihn sein, denn die Nachricht enthielt ein einziges Wort: Danke.
Danach war ihm nichts mehr von den letzten Wochen anzumerken. Als wir an diesem Freitag mittags zusammen in der Mensa saßen, scherzte er wie üblich mit den anderen, zog Emery damit auf, dass sie schon wieder eine Strafarbeit in Französisch schreiben musste, und schloss eine Wette mit Mason darüber ab, wie gut seine Zeit bei den NCAA Championships sein würde. Ich wettete gegen ihn, und das nur, um ihn zu ärgern.
Luke funkelte mich gespielt entrüstet an, doch in seinen Augen schimmerte die Belustigung. »Das wirst du noch bereuen, Schätzchen.«
»Bezweifle ich«, konterte ich und lächelte ihn strahlend an, bevor ich mich wieder meinem Laptop zuwandte. Nach meinem letzten Kurs heute stand ein Interview an und ich musste noch die Fragen dafür vorbereiten. »Seit dem letzten Rennen hast du nachgelassen, McAdams.«
»Stalkst du etwa meine Trainingsergebnisse?«
Das musste ich gar nicht, um zu wissen, dass Luke seinen Personal Record seit den C-USA Championships beibehalten, wenn nicht sogar gesteigert hatte. Ein Anruf beim Co-Trainer würde mir das bestätigen. Aber im Moment machte es mir zu viel Spaß, Luke zu necken. Es tat gut, dass er wieder ganz der Alte war, auch wenn wir beide wussten, dass seine Schuldgefühle damit noch lange nicht verschwunden waren. Er verdrängte sie nur.
»Leg einfach ein gutes Rennen hin, dann muss ich überhaupt nichts stalken.« Blind tastete ich nach meinen Pommes, nur um die Schale leer vorzufinden.
Jepp, alles wieder beim Alten. Ich strafte Luke mit einem vernichtenden Blick, aber er prostete mir nur mit seinem Energydrink zu. Unmöglicher Kerl.
Mason schob mir seine halb volle Schale hin.
»Danke«, murmelte ich und schob mir ein paar Pommes in den Mund. »Was wollen die Leute auf dem Campus noch so von unseren Footballspielern wissen?«, fragte ich in die Runde.
»Wie sie im Bett sind?« Natürlich kam der Vorschlag von Tate. Als ich ihr einen finsteren Blick zuwarf, zuckte sie nur mit den Schultern. »Was denn? Das ist eine berechtigte Frage.«
»Als wüsstest du das nicht aus erster Hand«, konterte ich trocken.
»Nicht vom gesamten Team. Und ganz sicher nicht von Brent Michaels.«
»Michaels?«, hakte Luke stirnrunzelnd nach und lehnte sich näher zu mir, um einen Blick auf das zu erhaschen, was ich da gerade tippte. Ich schob ihn mit dem Ellbogen weg.
»Ja, Michaels.« Tate lächelte süffisant. »Groß, breite Schultern, blaue Augen. Der Quarterback, der schon seit über einem Jahr hinter Elle her ist.«
»Was?«, rief ich. »Das stimmt doch gar nicht!«
»Liebes, ein Typ wie Michaels quatscht dich nicht auf fast jeder Party an, nur weil ihm langweilig ist.«
Ich verdrehte die Augen und versuchte mich wieder auf das Interview zu konzentrieren, spürte aber Lukes Blick auf mir, auch wenn ich alles dafür tat, nicht hinzusehen. Selbst wenn es stimmte, was Tate sagte, hatte ich kein Interesse an Brent. Nicht mehr. Nicht seit … Stopp. Ich unterbrach meine Gedanken, bevor sie zu jener Nacht in Alabama zurückwandern konnten, und räusperte mich.
»Er will dich.« Tate nahm ihre Tasche und stand auf. »Oder warum hat er sich sonst so schnell bereit erklärt, bei diesem Interview mitzumachen?«
»Nicht jeder Sportler hat nur Sex im Kopf.«
»Stimmt. Aber der hier schon«, sagte sie gut gelaunt und winkte uns zum Abschied, dann schlängelte sie sich an den anderen Tischen vorbei Richtung Ausgang.
»Oh verdammt.« Mason sah auf sein Handy. »Ist es schon so spät? Ich muss ans andere Ende vom Campus.«
»Armes Baby«, murmelte ich gespielt mitleidig und klappte meinen Laptop zu. Den Rest würde ich irgendwie zwischen meinen Kursen schaffen. »Ich muss nur den Gang runter.«
Trotzdem packte auch ich meine Sachen ein.
Mason knurrte etwas Unverständliches und sprang auf. Der Rest unserer Gruppe folgte ihm keine zwei Minuten später. Ich brachte mein Tablett zurück, trank noch schnell meinen Kaffee aus und machte mich dann auf den Weg in mein Seminar zum investigativen Journalismus.
Während sich die anderen beeilen mussten, war ich früh dran. Noch im Gehen holte ich mein Handy aus meiner Tasche und checkte meine Mails. Eine neue von Sadie, in der sie noch einmal schrieb, wie schade sie es fand, dass Luke und ich nicht zum Thanksgivingdinner nach Hause kommen würden. Im selben Absatz erzählte sie, wie wahnsinnig Mom sie mit der Hochzeitsplanung machte.
Grinsend biss ich mir auf die Unterlippe. Sadie tat mir leid, da ich nur zu gut wusste, wie Mom sein konnte. Allerdings hatte sie sich das selbst eingebrockt. Es gab einen Grund, warum Libby seit vier Jahren verlobt war, ohne zu heiraten. Mom hatte Brianna vor ihrer Hochzeit völlig verrückt gemacht. Und wie es aussah, war jetzt Sadie an der Reihe.
Meine Schritte wurden langsamer und ich sah kurz auf, um sicherzugehen, dass ich in niemanden reinlief, dann rief ich die zweite Mail auf. Sie war von meiner Chefredakteurin. Erica wollte einen Bericht über die NCAA-Championships, genau wie über das am Samstag stattfindende Footballspiel unserer Jungs gegen Stanford. Ich unterdrückte ein Seufzen. Seit ich bei der Collegezeitung angefangen hatte, bekam ich nur Sportthemen. Ich übernahm sie zwar, würde aber gern auch mal über andere Themen schreiben. Politik, Gesundheit, meinetwegen sogar Wirtschaft. Irgendetwas, das ein bisschen Abwechslung reinbrachte. Doch ich wusste auch, wie schwer es war, als Journalistin Fuß zu fassen, also würde ich notfalls auch noch bis ans Ende meiner Collegezeit über unsere Mannschaften berichten.
Ich hatte den Seminarraum fast erreicht, als ich plötzlich eine Berührung an meinem Arm spürte. Ich blieb stehen und starrte stirnrunzelnd zu Luke hoch. Wo kam der denn plötzlich her?
»Solltest du nicht längst auf dem Weg zum Bus sein?«, wunderte ich mich.
Das Cross-Country-Team und die Trainer würden heute nach Indiana fahren und dort übernachten, um morgen früh an den Championships teilzunehmen. Wenn meine Infos richtig waren – und das waren sie immer –, dann sollte es jeden Moment losgehen.
»Doch«, antwortete Luke und ließ seinen Blick kurz durch den Gang schweifen. Kommilitonen hasteten auf dem Weg in ihre nächste Vorlesung ans uns vorbei. Eine Gruppe von Mädchen näherte sich uns. Sie kicherten und zogen Luke praktisch mit den Augen aus, aber der schien sie nicht mal zu bemerken. »Ich hab noch ein paar Minuten, bevor ich losmuss. Genau wie du«, fügte er hinzu.
Diese drei Worte sollten keine kribbelnde Hitze in meinem Bauch auslösen und auch mein Puls sollte nicht in die Höhe schießen. Aber all das passierte. Dabei war dieser verrückte, völlig falsche Moment in Lukes Zimmer doch schon über zwei Wochen her. Seither war nichts mehr vorgefallen, das die Grenzen unserer Freundschaft verwischte. Und trotzdem meinte ich jetzt denselben Ausdruck in Lukes Augen erkennen zu können wie an jenem Nachmittag in seinem Zimmer, nachdem er mir den Rücken massiert hatte.
»Was hast du vor?«
Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen. Statt einer Antwort deutete er auf die Tür rechts von uns. Anders als die meisten anderen im Gang stand sie nicht offen, weil Studenten rein- und rausströmten. Dafür steuerte Luke den Raum jetzt zielsicher an. Ich schob das Handy zurück in meine Umhängetasche und folgte ihm.
Der Hörsaal war verhältnismäßig klein, mit nur wenigen Reihen, was erklären könnte, warum er leer war. Hier fanden nur Kurse mit wenigen Teilnehmern statt. Und im Moment gar keiner.
»Wenn du darauf wartest, dass ich dir viel Glück für das Rennen wünsche«, begann ich und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür. »Dann kannst du lange darauf warten.«
»Wer hat was von Glück wünschen gesagt?« Luke stützte sich mit der Hand neben meinem Kopf ab. »Sieht irgendetwas hiervon so aus, als hätte ich Glück nötig?« Mit der freien Hand deutete er an sich auf und ab.
Ich folgte der Bewegung mit meinem Blick, nahm die rot-schwarze Collegejacke mit dem Logo unserer Universität, das weiße T-Shirt darunter und die dunkle Jeans wahr, bevor ich wieder in sein Gesicht hochschaute. Luke war keiner dieser Muskelmänner wie Jackson, Brent oder die anderen Footballspieler. Auf den ersten Blick mochte er sogar schlaksig wirken, weil er die typische Läuferfigur hatte. Doch wenn er so nahe vor mir stand wie jetzt, wurde ich mir seiner breiten Schultern und der elektrisierenden Energie, die von ihm ausging, überdeutlich bewusst. Luke hatte etwas Einnehmendes, schon vom ersten Moment an, und ich war froh, nach der letzten Woche wieder meinen besten Freund in ihm zu sehen und nicht den in sich gekehrten, gebrochenen Mann. Obwohl ich wusste, dass er noch immer irgendwo dort drinnen lauerte und Luke diese Seite von sich zusammen mit seinen völlig deplatzierten Schuldgefühlen wegsperrte. Bis nächstes Jahr um diese Zeit.
»Du siehst aus, als hättest du mehr Glück als Verstand«, gab ich trocken zurück, nicht bereit, mich von seiner Nähe oder dem aufblitzenden Lächeln einschüchtern zu lassen.
Luke und ich hatten schon immer miteinander geflirtet. Das war nichts Neues. Die Art, wie er mich seit unserem Besuch zu Hause in Alabama immer wieder ansah, sehr wohl. Und jetzt betrachtete er mich mit exakt demselben Gesichtsausdruck.
»Das hier zählt immer noch nicht, oder?«, flüsterte ich nach Sekunden angespannten Schweigens. »Es hat keinen Einfluss auf unsere Freundschaft.«
Er nickte langsam, ohne meinen Blick loszulassen.
»Gut.«
Denn jetzt konnte ich mir endlich erlauben, die Hände an seine Seiten zu legen und sie unter den Stoff seines Shirts zu schieben. Luke erschauerte im selben Atemzug. Ich spürte seine Gänsehaut unter meinen Fingern, erstaunt und fasziniert davon, dass so eine kleine Berührung eine solche Wirkung auf ihn hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe und sein Blick folgte der Bewegung. Ein tiefer Laut kam aus seiner Kehle. Und bevor ich entscheiden konnte, ob es ein Knurren oder ein unterdrücktes Stöhnen war, packte Luke meine Handgelenke und drückte sie weg. Dann drehte er mich um, bis ich mit dem Gesicht zur Wand stand und mich daran abstützte.
Hitze schoss durch meinen Körper, glitt wie Lava durch meine Adern und breitete sich immer weiter aus. Ich konnte nicht denken, mich nicht artikulieren oder irgendetwas anderes tun, als darauf zu warten, was Luke jetzt mit mir vorhatte. Wir würden nicht zu weit gehen, weil es eine Grenze gab, die wir niemals überschreiten würden. Das hier … es war nur ein Spiel, fand nicht wirklich statt, solange es für uns beide nicht zählte. Es hatte keine Bedeutung, abgesehen davon, dass es sich gut anfühlte. Dass er sich gut anfühlte.
Luke schob mein Haar zur Seite und legte meinen Hals frei, dann strich er über meine Schulter, bis er auf den Riemen meiner Tasche stieß. Sie landete mit einem dumpfen Laut neben mir auf dem Boden. Ich wollte etwas sagen, irgendeine Bemerkung machen, aber er gab mir keine Chance dazu. Luke drückte seine Lippen auf meinen Hals, genau an die Stelle, wo Hals und Schulter aufeinander trafen. Statt Worten verließ ein Seufzen meinen Mund.
Gänsehaut breitete sich von der Stelle aus und ließ mich von Kopf bis Fuß erschauern. Ich spürte Luke hinter mir, obwohl er sich nicht gegen mich drückte. Aber meine Sinne schienen übersensibilisiert zu sein, denn ich bemerkte jeden seiner Atemzüge in meinem Nacken, jede noch so kleine Bewegung und jedes bisschen Wärme, das von ihm ausging und mich genauso einhüllte wie sein unverwechselbarer Duft.
Ich schloss die Augen, legte meine Hand in seinen Nacken und ließ zu, dass er sich an meinem Hals entlang küsste, Zentimeter für Zentimeter, bis er den Ausschnitt meines Shirts erreichte. Kurz hob er den Kopf, aber nur, um den Stoff zusammen mit meinem BH-Träger beiseite zu schieben und einen heißen Kuss auf meine Schulter zu setzen. Ich konnte mein Stöhnen gerade so unterdrücken, aber mir entkam dennoch ein erstickter Laut.
Luke lächelte an meiner Haut, doch dann tat er etwas Unverzeihliches. Er ließ mich seine Zunge spüren. Meine Knie wurden weich, eine kribbelnde Hitze schoss direkt zwischen meine Schenkel und diesmal konnte ich ein leises Stöhnen nicht zurückhalten. Ich drückte die Stirn gegen die kühle Wand, lehnte mich dagegen, weil ich mich an irgendetwas festhalten musste. Gleichzeitig schob ich die Finger in Lukes Haar und packte eine Spur fester zu, doch das schien ihn nur noch mehr anzuspornen. Langsam küsste er sich wieder aufwärts, bis ich seinen warmen Atem an meinem Ohr fühlen konnte.
»Jetzt brauche ich erst recht kein Glück mehr«, raunte er und setzte einen Kuss auf die sensible Stelle direkt unter mein Ohrläppchen. Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Ein letztes Mal strichen seine Finger über meinen Hals, dann schob er meinen BH-Träger und mein Shirt wieder zurück, als wäre nie etwas passiert, was nicht passieren durfte. »Bis Sonntag, Süße.«
Bevor ich die Kraft dazu finden konnte, mich umzudrehen, löste Luke sich von mir. Ich hörte das leise Klicken der Tür in dem Moment, in dem ich die Augen aufschlug. Sekundenlang lauschte ich in die Stille, hörte aber nur das Blut in meinen Ohren rauschen und die gedämpften Schritte und Stimmen aus dem Gang.
Langsam drehte ich mich um, noch immer gegen die Wand gelehnt, weil ich jedes Zeitgefühl verloren hatte. Lukes Geruch schwebte noch immer in der Luft und mein Nacken prickelte von seinen Berührungen. Ich presste meine Lippen aufeinander, kam aber nicht gegen das Lächeln an, das sich langsam auf meinem Gesicht ausbreitete.
Was auch immer das zwischen uns war, es machte Spaß. Nein, das war so nicht ganz richtig. Es machte süchtig. Aber so lange es nicht für uns zählte und niemand dabei verletzt wurde, gab es keinen Grund, damit aufzuhören. Nicht, wenn es sich so gut anfühlte.
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