Genau genommen waren es sogar 15.614 Wörter. Die Arbeit von drei Wochen voller Mühen, Kopfzerbrechen, Blut, Schweiß und Tränen. Und ich habe mich noch nie so gut dabei gefühlt, diese 15.000 Wörter in die Tonne zu treten. Aber warum eigentlich?
Plotter oder Pantser?
Im Englischen gibt es die sogenannten Plotter und die Pantser. Die Plotter planen – wie der Name schon sagt – eine Geschichte im Voraus, oft bereits bis ins kleinste Detail und müssen ihr Manuskript dann im Grunde nur noch “runterschreiben”. Die Pantser sind das komplette Gegenteil davon. Sie planen so gut wie gar nicht, schreiben einfach drauf los und folgen ihrem Gefühl. Und dann gibt es noch Autoren wie mich, die ein Mittelding sind. Ein Plontser quasi. Pantter? Plottser? Ihr wisst, was ich meine. 😀
Ich brauche einen roten Faden, einige Stichpunkte (oft die Wendepunkte im Roman) und v.a. die Hintergründe meiner Figuren, um losschreiben zu können. Beim Schreiben selbst folge ich zwar dem Plot, aber meine Charaktere geben den Ton an. Hier höre ich ganz auf mein Gefühl und wenn das Gefühl nicht stimmt, dann stimmt auch etwas mit der Szene, der Geschichte als Ganzes oder den Protagonisten nicht. In meinem Fall zeigt sich das meist durch Schreibunlust und Motivationsprobleme. Wenn mich das erwischt, werde ich entweder krank (oder bin es schon) oder irgendetwas stimmt mit meinem Manuskript nicht.
Was hilft, wenn es nicht weitergeht?
Ich habe wirklich viel ausprobiert: Den Anfang 4x neu geschrieben, Details zum Plot hinzugefügt, die Protagonisten weiter ausgeschmückt, andere Charaktere reingebracht, meine Schreibkollegen und Betaleser vollgejammert, wieder und wieder an Szenen gefeilt, bei einem späteren Kapitel weitergeschrieben usw. Aber letzten Endes hat nichts davon etwas gebracht. Die Story war flach, die Sprache monoton und die Gefühle meiner Protagonisten hatten die Größe einer Erbse. Auch eine Pause hat nichts gebracht, bis mir gestern endlich DIE Idee kam.
Wenn nichts geht, musst du zurück zu den Ursprüngen deiner Idee. Bereinige deine ganze Geschichte bis auf die Knochen, bis du nur noch die Kernkonflikte hast und das, was am Anfang so schön geschimmert hat und so aufregend war, dass du diese Story unbedingt schreiben wolltest. Und dann leg los mit: “Was wäre, wenn …?” Spiele das so oft und mit allen möglichen und unmöglichen Ideen durch, bis es Klick macht.
Der Aha-Moment
Bei mir hat es glücklicherweise ziemlich schnell Klick gemacht und ich habe die gesamte Hintergrundgeschichte – bis auf das ausschlaggebende Schlüsselerlebnis und einen weiteren Konflikt – geändert. Plötzlich ergab alles einen Sinn und die Begeisterung, die ich anfangs für das Projekt empfunden hatte, war auf einmal wieder da – größer und schöner als je zuvor. Normalerweise tut es weh, etwas von seinem Manuskript löschen zu müssen, aber hier? Keine Spur. Ich bin so froh und erleichtert, diese schrecklichen 15.000 Wörter loszuwerden und neu anzufangen! Und das Beste? Die Charaktere sind endlich ganz da, sprechen mit mir und drängeln in meinem Kopf, dass ich endlich ihre Geschichte erzählen soll. So muss das sein!
Manchmal muss man an den Anfang zurück und alles hinter sich lassen, was man schon an Zeit, Mühe und getippten Worten in ein Projekt gesteckt hat, um das Beste aus einer Geschichte herauszuholen. Und in diesem Fall bin ich wirklich froh, diesen Aha-Moment gehabt zu haben. Jetzt – und nicht erst nach 70.000 Wörtern oder mehr, weil ich mich verbissen weiter durchgekämpft habe. Aber 15.000? Das ist in Ordnung. Wenn eine Geschichte gut läuft, kann ich das in 3-4 Tagen wieder reinholen, wofür ich zuvor drei Wochen gebraucht habe.
Und jetzt stürze ich mich wieder in mein Manuskript. Gerade kam mir nämlich noch eine weitere Idee für eine Szene. ♥
Steffi meint
Hihi, dann bin ich auch ein “Plontser”, find ich gut 🙂 Dass radikales Löschen gut tun kann, wenn irgendwie ein Knoten in allem ist, kann ich nur bestätigen! Bei meinem Roman habe ich die ursprünglichen ersten 2 Kapitel gelöscht, obwohl ich sehr, sehr lange an denen geschrieben habe. Jetzt geht es mir damit viel besser, also mit den neuen ersten Kapiteln.
Löschängste hat man keine mehr, wenn man sieht, wie positiv es sich auf Plot und Schreibmotivation auswirken kann 🙂
Bianca meint
Yay! Dann sind wir schon mal zu zweit. 😀 Respekt und Glückwunsch zum Löschen deiner zwei Kapitel! Und du hast recht, wenn man erstmal die Erkenntnis hat, dass es ohne die Kapitel viel besser ist, tut es gar nicht mehr so weh. Aber dahin zu kommen und die ganze Arbeit und Zeit, die man bisher reingesteckt hat, aufzugeben, das braucht etwas. Aber letztlich heißt es ja nicht umsonst “Kill your darlings”. 🙂
Tanja V. meint
Liebe Bianca,
ich verstehe dich sehr, sehr gut! Und finde die ganze Aktion auch sehr mutig 😛 Ich bin selber auch eine Mischung aus beiden und schreibe ebenfalls so ähnlich, wie du das beschrieben hast. Deshalb habe ich hinterher auch oftmals mehr Arbeit, wenn mir in der Mitte der Story neue Ideen kommen und das Überarbeiten hinterher ist dann besonders spaßig *g*
Allerdings muss man dazu sagen, dass es manchmal wirklich den Kopf frei macht und auf neue Wege führt, wenn man alte Ansätze verwirft und gar nicht erst mit “Patchwork” anfängt, von wegen “das kann ich noch verwenden” usw….also GUT FÜR DICH 😀 so was traut sich nicht jeder und ich drücke fest die Daumen, dass du weiterhin so zufrieden seit wirst, wie mit dieser Entscheidung 😀
LG, Tanja
Bianca meint
Danke, liebe Tanja! ♥ Überraschenderweise hatte ich bisher (bis auf wenige Ausnahmen) mit diesem Vorgehen beim Schreiben wenig Probleme mit der Überarbeitung. Aber es stimmt schon, man muss genau schauen, ob sich eine neue Idee einbringen lässt, wenn man sie mitten im Roman hat, oder ob sie alles durcheinander wirft. Von daher bin ich kein großer Fan von “Patchwork”, wenn mir das letztlich mehr Arbeit als nötig beschert. Aber wenn es zur Geschichte beiträgt – klar. Immer!
Ich bin so überrascht, dass ihr das mutig findet, 15k Wörter zu löschen. Für mich selbst fühlt sich das nach purer Erleichterung an. 😀
Liebe Grüße
Bianca